backup neue medien im film: Ein programmatischer Titel,
der wie soll es anders sein, zugleich festlegt als auch offen lässt. Er
illustriert den Anspruch der Veranstalter, Laufbilder als Kulturtechnik, als
Speichermedien, als Konserven zu begreifen, aber auch Autoren ein Forum zu bieten,
auf dem sie ihre Arbeiten kommunizieren und diskutieren können. Denn back
up ist auch eine Unterstützungsleistung. Ähnlich dichotom verfährt
der Subtitel. Er konstatiert und fordert eine vorgeblich konfliktreiche Auseinandersetzung:
auf der einen Seite die neuen Medien, auf der anderen der alte
Film. Doch weder ist der Film alt, noch lässt sich selbstverständlich
von einem statischen Begriff der neuen Medien sprechen. Signifikant
für diese Deutungsschwierigkeit ist die seiner Pluralität, seiner
semantischen Uneindeutigkeit, die im Zweifelsfall sogenannte neue Medien
und Film ineinander aufgehen lässt. Wo beginnen beide und wo hören
sie auf?
So schwierig und diskutabel der Festivaltitel auch anmuten mag, so undogmatisch
und offen gingen die Macher, Studierende der Bauhaus Universität Weimar
(BUW), mit ihren hausgemachten Problemen um. Auf drei Wettbewerbe verteilt,
zeigten sie den rund 1000 Zuschauern 48 größtenteils deutsche Kurzfilmproduktionen,
davon zehn Beiträge aus den Reihen der BUW.
Begleitet wurden die Wettbewerbe durch zahlreiche Veranstaltungen wie den technisch
perfekten, aber sehr unterkühlten Eröffnungsfilm gone underground
von Su Turhan, zwei close up´s zu anderen New Media Festivals
und zum Trailer als filmischen Paratext und ... natürlich Parties.
Dabei ließen sie sich nur an der Oberfläche auf den gefährlichen
Mechanismus der Präkonfiguration durch die Kategorisierung der Wettbewerbe
ein. Unter Bezugnahme auf die Farbkombination RGB, rot-grün-blau, der Grundlage
des Videosignals, fassten sie einen Rahmen für die Präsentation der
Beiträge. Drei Buchstaben stellvertretend für ein Konzept, das jegliche
Stigmatisierung der Filme durch die zeitliche und wettbewerbsmäßige
Trennung fernhielt. Die Etikettierung durch Farben stellte eine Ironisierung
der gängigen Wettbewerb-Schubladen-Praxis dar, obwohl sie auch Rätseln
(oder Nachdenken) beim Publikum auslöste.
Derart befreit von persuasiven Lesezwängen arbeiteten sich die Filme am
Zuschauer vorbei. Es ist sicherlich unnötig, zu erwähnen, dass jeder
Beitrag seinen Liebhaber fand. Alle Kurzfilmgenres wurden bedient, vom Animationsfilm
(rendered oder klassisch) über den realen Erzählfilm bis zum Musicclip
- auf allen denkbaren Materialien wie analogem Video, Film und DV. Nacheinander
und Durcheinander, das Fehlen jeglicher Reihenfolge und Beschränkung unterstrichen
den undogmatischen Impetus des Festivals, das die innere Diskussion und Perspektive
dem Zuschauer selbst überließ und keine Vorgaben machte. Die Frage
nach der Polarität von neuen Medien und Film, die eingangs gestellt wurde,
beantwortete sich während der drei Tage von selbst.
Eine Tendenz ließ sich erkennen: Die Aufnahme- und Bearbeitungstechnik
verkommt mehr und mehr zum Selbstzweck und übernimmt die eigentliche geistlose
Steuerung der Arbeit (so gesehen in Building Skyscrapers in Reykjavik von Volz/Betzwieser).
Das technische Know-how als Autor? Ein Großteil der Beiträge wirft
die Frage nach der Kontingenz der Effekte auf.
Doch nicht
der Einsatz von genereller Machbarkeit steht hier zur Disposition, sondern Kompetenz
und Zufall. Dies schlug sich auch in der Entscheidung der Jury nieder: Den ersten
Preis erhielt somit auch Elsewhere von Egbert Mittelstädt, der die DV-Technik
bewusst einsetzte, um zeitliche Differenzen im Alltäglichen, das Spiel
von Festhalten und Loslassen, Weitergehen und Stehenbleiben zu analysieren.
Takewipe FC von Nikolaus Gojowzyk-Groon (2. Preis) nutzt das rhythmisierende
beschleunigende Stakkato der Überblendungen, das raum-zeitliche Herz des
Schnittcomputers, in einer beinahe kulturhistorischen Zitatesammlung. Letztendlich
bedeutet Aufnehmen, Filmen, Konservieren auch immer Verfremden, eine Leistung
die auch dem menschlichen Gedächtnis inhärent ist. Diese Analogie
bildete das Sujet von tinhokos relifted (3. Preis), dessen Videoaufnahmen, bis
zur Unkenntlichkeit entstellt, einen Kontrast zu alltäglichen filmischen
Wahrnehmungsweisen bildet.
Der Fluss der Bilder in den Wettbewerben wurde lediglich durch selbstperformative
und notdürftige Anmoderationen unterbrochen. Die Art und Weise wie innerhalb
der drei Tage durch Wettbewerbe geführt wurde, war dem Anspruch des Festivals
leider nicht angemessen. Charakterisieren lässt sich dies durch ein Zuviel
an Selbstdarstellung und Zuwenig an Information.
[Olaf
Nenninger]
Nach der erfolgreichen ersten Version backup, im Kulturstadtjahr
1999, war das Festival erneut ein Treffpunkt für nationale und internationale
Medienschaffende. Der netzwerk filmfest e.V. kann auf ein gut besuchtes Publikumsfestival
zurückblicken, das noch so einiges Potenzial für die Zukunft verspricht.
Dies wird ganz deutlich an dem diesjährigen Rahmenprogramm. Closeup und
Forum stehen hier für Making of ..., Diskussionen oder Filmcollections.
Sie sind auf die vier Festivaltage verteilt, mit Blick auf die vor uns liegenden
Trends der Medien- und Konsumgesellschaft. Mit dem Neu Deli fand
backup ein geeignetes Ambiente das Gemütlichkeit und Ruhe für spannende
Diskussionen bot.
Am Freitag wurde das Making of ... zum Eröffnungsfilm vom Vorabend, gone
underground, präsentiert. (www.gone-underground.com) Die Kamerarbeit leistete
kein geringerer als Michael Ballhaus. Zu Gast waren einige Crewmitglieder, die
dokumentierten, wie die Arbeit mit dem neuen digitalen Format 1080/24p (www.1080p.de)
funktioniert. Welche Probleme es während der Produktion gab und wie die
Technik sich in der Videofilmerbranche etablieren wird. Am späteren Abend
wurde das Bauhausprojekt Calypso von Dr. Jill Scott präsentiert. Das Interesse
der Festivalbesucher, die meisten einheimische Studenten, war eher gering, da
man schon vorab viele der kleineren Filmbeiträge der Collage in Weimar
sehen konnte.
Der Samstag Nachmittag sollte für den bis dahin nicht enttäuschten
Festivalbesucher ein sehr spannender werden. Beim closeup #1 waren Gäste
vom european media art festival Osnabrück 2000 und dem bitfilm Hamburg
anwesend. Diese New Media Festivals bekamen die Möglichkeit, sich selbst
zu präsentieren, anschließend durfte gemeinsam diskutiert werden.
Alfred Rotert (emaf) brachte eine Rolle mit Kurzfilmen und Videoinstallationen
mit, die auf sehr viel Beifall stieß. Noch besser waren die Präsentationen
von Nina Schulz und Ingo Grell, beide vom Bitfilm. Sie zeigten internationale
Beiträge aus Flash-Filmen und Realplayer-Animationen. Die narrativen Kurzfilme
wurden vollständig am Rechner hergestellt und waren auf den Festivals in
Hamburg und Berlin zu sehen. Die Diskussion brachte darauffolgend brisante Meinungsverschiedenheiten
an die Oberfläche. Während die emaf eher das traditionelle Medium
Video (Experimentalfilm und Videokunst) bevorzugt - ohne diese Kunst wären
MTV-Kultur oder Videoclipästhetik heute nicht denkbar - standen die Leute
vom Bitfilm mit ihren vollends digitalen Clips auf einer oppositionellen Seite.
Als Inhalt galt es zu klären, inwiefern die wahren neuen Medien
in den traditionellen Festivals für Kurzfilme involviert werden können.
Kann eine digitale non-lineare Postproduktion ausreichen, um das Kriterium zu
erfüllen bei einem Festival für neue Medien teilzunehmen? Oder sind
diese Art von Festivals offen zu halten für Beiträge, die innovative
Formen von visueller Narrativität erzeugen, wie z. B. Flashfilme aus dem
Internet. Wollen die Veranstalter dies überhaupt? Wenn nicht, hat der digitale
Film kaum Chancen, den Filmmarkt zu durchdringen.
Der Samstag Abend war die Nacht der Selbstreflexionen: Eine Präsentation
nahezu aller Filmbeiträge, Seminararbeiten und Projekte der Fakultät
Medien aus dem vergangenen Semester. Ein gegebener Anlass für die Studentenschaft
in Weimar, sich selbst zu feiern. Im Vergleich zu anderen Fakultäten in
Thüringen, zu Recht.
Der sonntägliche Abschluss des Rahmenprogramms überraschte den Zuschauer
mit einer Podiumsdebatte zum Kinotrailer. Dieser bedeutende Bestandteil einer
jeden Vermarktungsstrategie des Kinofilms ist ein narratives Filmschnipsel,
das man kennen sollte. Zu Gast waren die Wiener Wissenschaftler Drehli Robnik
und Dietmar Schwärzler. Zwei Freaks in diesem noch unangetasteten
Bereich der Filmwissenschaft. Aus der Trailerproduktion war der Hamburger Jörn
Zielaskowsky anwesend. Er verdient sein Geld als Cutter für Kino und TV-Trailer/Teaser,
unter anderem sah man seinen Trailer zu Takeshi Beat Kitanos Meisterfilm
Hana-Bi. Als Einführung in das Thema präsentierte backup eine 45-minütige
35 mm Rolle mit Klassikern wie S. Leones Spiel mir das Lied vom Tod und arthouse
feature i. S. von PI oder J. Jarmuschs Dead Man. Die Referenten setzten sich
als Schwerpunkte ihrer Untersuchung die intertextuelle Beziehung des Trailers
zum Film, seine narrativen Konstruktionsprinzipien und affektgebündelten
Text-Bild-Beziehungen, die sich zu einer eigenwilligen Form der Rhetorik kristallisieren.
Wichtigster inhaltlicher Diskussionspunkt war es, die Frage zu klären,
ob Trailer in die Gattung des Kurzfilms zu integrieren sind oder nicht. Funktionieren
sie nach eigenen immanenten Regeln? Ein spannendes Thema, wie es scheint.
Neben dem relativ autonomen Rahmenprogramm konnte der fleißige Festivalbesucher
im kleinen MonAmi Saal noch eine 90-minütige Collection aus dem Programm
des european media art festivals Osnabrück 2000 sehen. Ein durchaus ästhetisches
Sehvergnügen, welches jedoch auf wenig Interesse gestoßen ist.
Vergleicht man die Version 1.0 mit dem update 2000, dann hat das Festival eine
deutliche Verbesserung erfahren. Die Inhalte waren zukunftsweisend angelegt.
Eigentlich typisch fürs Umfeld der Fakultät Medien, die ihrem Universitätsnamen
Bauhaus alle Ehre zukommen lassen will. Die thematischen Oberflächen
boten ein weites Spektrum an Einblicken in die gegenwärtigen funktionellen
Alternativen Neuer Medien. Eine genauere Abgrenzung zu den traditionellen
Filmfestivalstrukturen wird aber nötig werden, will man weiterhin mit dem
Begriff New Media werben.
[MG]