"Der Name
eines Regisseurs sollte sich im Kopf des Publikums mit einem Qualitätsprodukt
verbinden. Darsteller kommen und gehen, aber der Name des Regisseurs sollte
klar und deutlich im Gedächtnis des Publikums bleiben." (Alfred Hitchcock).
Diese Aussage Alfred Hitchcocks hätte auch von Steven Spielberg stammen können.
Denn neben Hitchcock selbst, ist er einer der wenigen Regisseure, denen es gelang,
ihren Namen in ein Markenprodukt umzuwandeln. Oft reicht es für den Zuschauer
aus, EIN STEVEN SPIELBERG FILM auf dem Filmplakat zu lesen, um ihn zu überzeugen,
ins Kino zu gehen. Daher werden auch verschiedene Erwartungen an ein Werk geknüpft,
in welchem Spielberg als Regisseur oder Produzent (bzw. beides) verantwortlich
zeichnet: perfekte Unterhaltung mit aufwendigen Spezialeffekten, unterlegt mit
der Musik von John Williams. Und Spielberg bemüht sich, sein Image zu pflegen,
d.h. auch sein Privatleben publikumswirksam zu inszenieren. Er selbst sagt,
dass viele seiner Werke Erfahrungen aus der eigenen Kindheit widerspiegeln.
Daher wäre E. T. Ü The Extra Terrestrial (USA 1982) sein persönlichster Film.
Elliot (Henry Thomas), ein Scheidungskind und Einzelgänger, könnte der junge
Spielberg sein. Bezeichnenderweise findet Elliot den einzigen Freund in einem
Außerirdischen. O-Ton Spielberg: "E. T. war ein Film über meine Kindheit ...
Ich brauchte einen besonderen Freund, und dafür mußte ich meine Vorstellungskraft
einsetzen, um zu Orten zu gelangen, wo ich mich gut fühlen konnte." (Thomas
Koebner) Über Spielbergs wirkliche Biografie wissen nur wenige Bescheid. Uneinigkeit
gibt es schon bei seinem Geburtsdatum: 18. Dezember 1946 oder 1947. Es ist also
ratsam, sich an die Fakten zu halten, die der Regisseur der Öffentlichkeit preisgibt:
seine Filme. Bereits für seinen zweiten Amateurfilm Escape to Nowhere (USA 1960),
einen 40-minütigen
Kriegsfilm, gewann er als Kind einen Wettbewerb. Im Jahr 1969 entstand Amblin'
(nach dem er 1984 seine Produktionsfirma benannte), ein Kurzfilm, der auf dem
Atlanta Film Festival aufgeführt wurde und Spielberg einen Siebenjahresvertrag
mit Universal Pictures einbrachte. Kurz danach debütierte er als Fernsehregisseur
mit der Pilotfolge zu Rod Sterlings NBC Ü Reihe Night Gallery (USA 1969). In
den nächsten fünf Jahren inszenierte er u. a. die Columbo-Folge Tödliche Trennung
(USA 1971) und die Dr. Med. Marcus WelbyÜFolge The Daredevil Gesture (USA 1970).
Diese Aufgaben blieben jedoch lediglich Auftragsarbeiten, in welchen er als
Regisseur austauschbar blieb. Künstlerisch aufwärts ging es erst mit dem Fernsehfilm
Duel (USA 1972). Hier konnte Spielberg seine Fähigkeiten als technischer Regisseur
unter Beweis stellen. Die Handlung ist denkbar einfach: Ein Psychiater wird
mit seinem PKW von einem Truck verfolgt. Da der Truck-Fahrer im Film nie zu
sehen ist, erfährt der Zuschauer auch nicht den Grund für dessen Handeln. Duel
reduziert sich auf zwei Themen: ein Mann, der erkennen muss, dass sein scheinbar
geordnetes Leben innerhalb weniger Minuten zusammenbrechen kann und die Verfolgungsjagd,
die hier in verschiedenen Konstellationen variiert wird. Die Kamera ist sehr
agil und nimmt häufig den Standpunkt des verfolgten Mannes ein. Der Zuschauer
wird mit in die Action- Sequenzen hineingezogen und mitgerissen. Diesen Stil
des kinetischen Kinos perfektionierte Spielberg später in den Indiana-JonesÜFilmen.
Duel erwies sich als so erfolgreich, dass er in Europa in die Kinos kam, wo
er positive Kritiken erhielt. Und Spielberg durfte seinen ersten Kinofilm inszenieren:
The Sugarland Express (USA 1974). Der Film floppte, angeblich wegen des schlechten
Marketings von Universal Pictures. Zwei Dinge sind an diesem Roadmovie dennoch
erwähnenswert: Goldie Hawn spielte die Hauptrolle und Spielberg arbeitete erstmals
mit seinem baldigen Hauskomponisten John Williams zusammen. Sein zweiter Film
wurde zum bis dahin erfolgreichsten Film aller Zeiten: In Zusammenhang mit Jaws
(USA 1975) tauchte auch der Begriff "Blockbuster" auf. Erstmalig startete man
eine umfangreiche Werbekampagne, die dem Publikum FanÜArtikel zum Film anbot.
Diese Kampagne stellte den Film fast in den Hintergrund, so dass sich Universal
gezwungen sah, folgende Anzeige zu schalten: "ES IST AUCH EIN FILM!" Inhaltlich
ist Jaws eine Variation des Duel-Motivs. Diesmal ist der Gegner allerdings kein
Truck, sondern ein Hai. Die erste Hälfte des Films ist sicherlich die unheimlichere,
da der Hai unsichtbar bleibt, und die Unterwasseraufnahmen alle aus seiner Perspektive
gefilmt sind, aus der er seine Opfer angreift. Im zweiten Teil bekommt ihn ein
Gesicht und den Mittelpunkt der Handlung bildet die Jagd auf den Hai, der eigentlich
der Jäger ist. In der Figur des jugendlichen Wissenschaftlers Matt Hooper (Richard
Dreyfuss) kreierte Spielberg sein Alter Ego: ein ganz gewöhnlicher Mann mit
ungewöhnlichem Beruf, der seinem Handwerk vertraut. Close Encounters Of The
Third Kind (USA 1977) trug neben Star Wars (USA 1977) mit dazu bei, das Science-Fiction-Genre
endgültig wiederzubeleben und untermauerte Spielbergs Ruf, die Emotionen des
Zuschauers beliebig lenken zu können. Der bekannte französische Regisseur Fran&ccdil;ois
Truffaut spielte die Rolle eines UFO-Forschers. Mit dem Projekt 1941 (USA 1979)
erlebte Spielberg den größten Misserfolg seiner Karriere. Der Regisseur überzog
das Budget um ein Vielfaches - Endkosten: 26,5 Millionen Dollar. Zuviel für
eine Komödie, ein Genre, welches dem Regisseur nicht lag. Seine Reputation erlangte
Spielberg mit Raiders of the Lost Ark (USA 1980). Abermals entdeckte er ein
totgeglaubtes Genre wieder: den klassischen Abenteuerfilm, der schon in den
40-er und 50-er Jahren populär war. Strukturell und inhaltlich ist der Film
an die James-Bond-Reihe angelehnt. Nur heißt Bond hier Indiana Jones, ist kein
Agent, sondern Archäologe und lebt nicht zur Zeit des Kalten Krieges, sondern
in den 30-er Jahren. Raiders of the Lost Ark beginnt, analog zum Bond-Teaser,
mit einem Ereignis, das nicht direkt mit der späteren Handlung in Bezug steht.
E.T. Ü The Extra Terrestrial galt lange als das Chef d'Oeuvre von Spielbergs
Werk. Der Film nimmt die Sichtweise von Kindern bzw. dem Außerirdischen E.T.
ein. Oft sind nur Füße und Hände von Erwachsenen zu sehen, nicht ihre Gesichter.
Der Film überzeugte die Kritik und traf den Nerv der Massen, was nicht zuletzt
an der rührseligen Musik von John Williams lag. In den nächsten zwei Jahren
inszenierte Spielberg eine Episode aus Twilight Zone: The Movie (USA 1983) und
die Indiana- Jones - Fortsetzung Indiana Jones and the Temple of
Doom
(USA 1984). Letzterer Film geriet aufgrund seiner unnötigen Gewaltdarstellung
in die Kritik. Mit The Colour Purple (USA 1985) wandte sich Spielberg erstmals
einem ernsthaften Sujet zu. Er scheiterte an der filmischen Umsetzung des Romans
von Alice Walker. Zu oft setzte er Klischees ein und versuchte die Zuschauer
mit wunderschönen Bildern auf seine Seite zu ziehen. Bei seinen Fantasy-Spektakeln
war diese Vorgehensweise angebracht, doch bei einem Thema über Probleme afroamerikanischer
Frauen in den 30-er Jahren schien sie problematisch. Gleiches gilt für das folgende
Werk, Empire of the Sun (USA 1987), in dem der zweite Weltkrieg aus der Sicht
eines kleinen Jungen geschildert wird. Ein weiterer Indiana-JonesÜFilm, Indiana
Jones and the Last Crusade (USA 1989), brachte Spielberg erneut einen kommerziellen
Erfolg. Always (USA 1990) und Hook (USA 1991) sind dagegen heute fast vergessen.
Erst mit Jurassic Park (USA 1993) feierte Spielberg ein Comeback. Trotz der
eindimensionalen Charaktere überzeugten hier die von Stan Winston am Computer
erschaffenen Dinosaurier. Dank Schindler's List (USA 1994) wurde der Regisseur
endlich auch von der Kritik ernst genommen. Der in Schwarzweiß gedrehte HolocaustÜFilm
überraschte durch seine Authentizität und den fast völligen Verzicht auf Sentimentalität,
auch wenn Spielberg in einigen Passagen des Films in alte Gewohnheiten zurückfiel.
Lohn der Mühe: 2 Oscars (als Produzent und Regisseur). Nach fast vierjähriger
Pause, Spielberg gründete inzwischen sein eigenes Filmstudio, führte er 1997
bei dem Sequel Lost World: Jurassic Park Regie. Technisch brillant, hatte dieses
Werk inhaltlich wenig zu bieten. Auch Amistad (USA 1997), ein Film über einen
Sklavenaufstand im 19. Jahrhundert, zog nur eine Plagiatsklage auf sich und
nicht die Aufmerksamkeit des Publikums. Für Saving Private Ryan (USA 1998) erhielt
Spielberg einen weiteren Regie-Oscar. Beeindruckend bleibt die von Janusz Kaminski
mit der Handkamera gefilmte Eingangssequenz, die die Landung der Alliierten
in der Normandie zeigt. Danach folgt eine konventionell erzählte Geschichte,
die in ein patriotisches Ende mündet (letztes Bild: die USA-Fahne). Die zwei
nächsten Filme Steven Spielbergs werden ihn zum Science-Fiction- Genre zurückbringen.
Im Juli beginnen die Dreharbeiten zu A.I., einem Projekt, welches Spielberg
vom verstorbenen Stanley Kubrick übernommen hat. Danach entsteht Minority Report,
basierend auf einem Roman von Blade RunnerÜAutor Philip K. Dick. Die Hauptrolle
soll Tom Cruise spielen, der Film im Jahr 2002 anlaufen.
[RH]