Laut einschlägigen Tierzeitschriften besitzen ungefähr
80 % aller Deutschen ein Aquarium im Wohnzimmer oder einen Goldfischteich im
heimischen Garten. Denn Fische sind ruhige Haustiere, die den stressgeplagten
Mensch wohltuend beeinflussen.
Ich möchte jetzt nicht
unbedingt einschläfernd wirken, aber um ehrlich zu sein, ich besitze selbst
zwei Exemplare dieser Sorte, aus demselben Grund: nämlich zur Beruhigung.
Manchmal verbringe ich Stunden damit meine Nase an der Glasscheibe plattzudrücken
und ihren friedlichen Bewegungen zuzuschauen, wie sie von rechts nach links
schwimmen und von links nach rechts, einen Kreis drehen, mich dabei aus ihren
arglosen Augen anglotzen und vor sich hin blubbern
Diese Ansicht hatte ich, bis ich diesen Film sah: "Piranha" (R: Joe
Dante, USA 1978).
Eine Detektivin ist auf der Suche nach zwei jungen Leuten. Mitten in der Wildnis
trifft sie auf den Forscher Paul Kogan, der auf einem alten Army-Gelände
Killerpiranhas in einem Becken züchtet. Durch einen dummen Zufall lässt
die Frau das Wasser samt der darin befindlichen blutrünstigen Fische in
den Fluss ab. Zu allem Überfluss handelt es sich auch noch um eine ganz
besonders aggressive und resistente Züchtung.
Zusammen mit dem kauzigen Paul versucht sie nun zu verhindern, dass die Fische
in einen See gelangen. Denn an dem befinden sich ungünstiger Weise ein
Ferienlager und ein nagelneuer Ferienvergnügungspark.
Es gibt natürlich einige Anleihen bei Der Weissen Hai ("Jaws",
R: Steven Spielberg, USA 1974) - d. h. fröhlich zappelnde Kinderbeinchen
im Wasser aus der Fischperspektive, sowie eine charakteristische Musik, die
immer dann zu hören ist, wenn Gefahr droht. Vergleicht man die Kinoplakate
beider Filme kann man ebenso eine deutliche Ähnlichkeit erkennen, in Motiv
und Wirkung.
Aber irgendwie ist ein
böser Schwarm Piranhas natürlich gruseliger als nur ein einzelner
Hai. Zwar kann man die Fische nie sehen, aber dafür ziemlich gut hören,
wenn sie mit sirrenden Lauten auf die Kinder im Wasser zuschwimmen. Dabei fliesst
dann auch jede Menge Blut, was im Wasser natürlich noch besser wirkt. Und
wer nach diesem Film noch in aller Ruhe in unbekannten Gewässern badet,
dem ist dann wohl auch nicht mehr zu helfen.
Der Film nutzt einige menschliche Ängste, so z. B. die, dass man, wenn
man im Meer badet, nicht weiß, was in den unendlichen Tiefen unter einem
so lauert.
Mit Kurs auf das freie Meer endet dann auch Piranha und das war dann der Punkt
als ich noch mal in der Zoohandlung anrief und nachfragte, aus welchen Gewässer
meine beiden Fische stammen.
Der Händler meinte, er habe momentan keine Zeit, da er gerade mit einer
Spinneninvasion zu kämpfen habe, die aus den Terrarien geflüchtet
seien.
Nicht das mich das jetzt beruhigte, denn es erinnerte mich irgendwie an Arachnophobia
(USA 1990, R: Frank Marshall); ein Film über die Angst vor Spinnen. Der
junge Arzt Dr. Jennings zieht in eine Kleinstadt, in der sich plötzlich
mysteriöse Todesfälle häufen. Bald findet er heraus, dass alle
Opfer vorher von einer Spinne gebissen wurden. Und zwar nicht von irgendeiner,
sondern von einer ganz heimtückischen Art, die ein Insektenforscher - in
seinem eigenen Sarg - von einer Expedition aus Venezuela mitgebracht hat. Der
Film machte es sich ebenfalls zunutze, dass viele Menschen Angst vor kleinen
Krabbeltieren haben. So kann schon eine Spinne, die harmlos über die Leinwand
huscht, Gänsehaut erzeugen.
Doch genau diese anfängliche Harmlosigkeit im unbemerkten Anschleichen
der Spinnen, die sich später verbunden mit einer spannungsvollen Musik
steigert und in plötzlichen zischenden Attacken gipfelt, lässt einen
vor Schreck zusammenzucken.
Und wenn wir schon mal bei
Krabbeltieren sind: In Phase IV (USA 1973, R: Saul Bass) verursachen unerklärbare
kosmische Veränderungen seltsame Geschehnisse auf der Erde. Doch nicht
zuerst beim Menschen, sondern bei einer kleinen unscheinbaren Form von Leben,
nämlich bei ganz gewöhnlichen Ameisen, die sich plötzlich versammeln,
miteinander kommunizieren und ungewöhnliche Dinge tun. Dem kommen zwei
Forscher auf die Spur und beginnen mit Untersuchungen. Mit der Zeit aber werden
die Forscher selbst zu den Versuchsobjekten für die intelligente Ameisenkolonie
unter der Erde, die sich verdammt gut anpassen und organisieren kann. Ausserdem
verfügen sie über so großen Hunger, dass sie ein halbes Feld
mitsamt der Schafe in wenigen Sekunden verspeisen. Das endet dann darin, dass
die Ameisen sogar die Menschen zu einem Teil ihrer Welt werden lassen und das
Land übernehmen, Orte und Städte belagern und den Menschen immer einen
Schritt voraus sind
Doch ich hab ja schon immer gesagt, dass Ameisen ziemlich intelligent sind und
den Hang haben die Welt zu untergraben.
Doch zum Glück, dachte ich, gibt es die biologische Nahrungskette und deshalb
gibt es auch genügend Vögel, die Spinnen, Ameisen und andere Arten
von Insekten gern verspeisen.
Ach, apropos Vögel: Da kam mir der Klassiker The Birds (USA 1963, R: Alfred
Hitchcock) ins Gedächtnis. Vorsichtig sah ich zum Fenster. Ob das nur Zufall
war, dass sich gerade vor meinem Fenster, auf meinem Baum, unzählige dunkel
gefiederte Tiere versammelten und unruhig mit den Flügeln raschelten? Vögel,
die nur darauf zu warten schienen, plötzlich mit ihren spitzen Schnäbeln
an meiner Haustür zu hacken und zu picken, so dass mir Angst und bange
wird.
Voller Schrecken dachte ich an den Film, in dem der Meister der Suspense
die Angst beim Publikum auslöst, indem er unerwartete Angriffe von Vögeln
häuft, die als gewöhnlich gelten - Raben, Möwen, Spatzen und
andere.
The Birds schafft damit eine Art Weltuntergangsstimmung: Endzeitwetter mit schwarzem
Himmel, grollendem Donner, grauen Wolken - und als die Überlebenden
mit dem Auto davonfahren, sehen wir die Vögel, wie sie dicht an dicht den
Weg säumen, so dass von einem Happy End also gar keine Rede sein kann.
Die Details des Alltäglichen
werden nach und nach so deformiert, dass auch sie unheilvoll, gefährlich
werden. Spatzen, Kamine, Klettergerüste und andere unverfängliche
Alltäglichkeiten werden eingebaut in ein düsteres Szenarium, das angefüllt
ist von dem künstlich erzeugten Vogelgekreisch und Flügelschlagen,
welches den Film beherrscht und sehr wirkungsvoll eingesetzt wird.
Filme dieser Art nutzen demnach die kulturbedingten Ängste, wie die Angst
vor Spinnen, Insekten allgemein, Meerestiefen und so weiter. Sie verstärken
sie sogar noch soweit, dass man nach dem Schauen des Films wirklich nicht mehr
ins Wasser geht oder Spinnen anfasst.
Was mich betrifft kann ich das nur bestätigen, und ich würde sogar
noch weitergehen und behaupten, dass sogar die Tiere eine gewisse Bedrohung
für uns darstellen; die, die sonst als die besten Freunde des Menschen
bezeichnet werden - egal ob nun Vogel, Katze, Hund oder Fisch. Denn gerade hinter
ihrer Harmlosigkeit verbirgt sich das Grauen!
Ich jedenfalls werde meine Fische nur noch ganz vorsichtig füttern und
ja nicht mit der Hand das Wasser berühren. Man weiss ja nie, wann sie zubeissen
werden
[Text & Zeichnungen: GH]