Film war nie stumm. Bereits in der Epoche des Stummfilms lief
während der Vorstellung begleitende Klavier- oder Orchestermusik. Mit der
Entwicklung des Tonfilms entsteht die Filmmusik, die sich aus der orchestralen
Begleitpraxis der Stummfilmzeit herleiten lässt. Als solche gilt die Musik
aus dem Off, d.h. aus einer Geräuschquelle, die nicht im Bild zu sehen
ist. Die Meinungen teilen sich allerdings, wenn es darum geht, ob der Zuschauer
sich der Filmmusik bewusst sein soll oder nicht.
Die Musik macht dem Publikum fühlbar, um welche Stimmung oder Atmosphäre
es sich in den Szenen handelt. Sie dient somit als Orientierungshilfe und trägt
zum Verständnis des Films bei.
Es gibt viele großartige Filmkomponisten, so z.B. Bernard Herrmann, der
1941 den Oscar für die beste Musik im Drama All that money can buy (USA
1941, Regie: William Dieterle) erhielt.
Oder der Franzose Maurice Jarre, der gleich dreimal den Oscar für die Beste
Originalmusik erhielt: 1962 Lawrence of Arabia (USA 1962, Regie: David Lean),
1965 Doctor Zhivago (USA 1965, Regie: David Lean) und 1984 A passage to India
(GB 1984, Regie: David Lean).
Ebenso der
Amerikaner Henry Mancini, der nicht nur durch die Musik zu Filmen wie The Pink
Panther (USA 1963, Regie: Blake Edwards) oder Tom & Jerry - The Movie (USA
1992, Regie: Phil Roman) bekannt sein dürfte. Er erhielt 1961 den Oscar
für die beste Musik (Drama) im Film Breakfast at Tiffany's (USA 1960, Regie:
Blake Edwards), 1962 den Oscar für den Besten Filmschlager im Melodrama
Days of Wine and Roses (USA 1962, Regie: Blake Edwards) und schließlich
1982 den Oscar für die Beste Musik in Victor/Victoria (USA/GB 1982, Regie:
Blake Edwards).
Und last but not least - kein minderer als der Italiener Nino Rota - der Komponist
zu Francis Ford Coppolas The Godfather (USA 1971), The Godfather Part II (USA
1974), für den Rota 1974 den Oscar für die beste Originalmusik bekam
und The Godfather Part III (USA 1989-90).
Ein weiterer hervorragender Filmkomponist, den ich hier vorstellen möchte,
ist der Italoamerikaner Angelo Badalamenti. Angelo Badalamenti wurde am 22.03.1937
in New York City geboren. Mit acht Jahren wurde er auf Drängen seines älteren
Bruders, einem Jazztrompeter, an das Klavierspielen herangeführt. Später
studierte Badalamenti an der Juilliard School of Music in New York Horn. Er
erhielt ein Stipendium an der Eastman School in Rochester. Dort setzte er seine
Ausbildung fort und studierte außerdem Komposition und Klavierspiel. Seinen
Abschluss machte Badalamenti schließlich an der Manhattan School of Music.
Er schrieb die Musik für bislang 20 Filme der unterschiedlichsten Genres.
Badalamenti arbeitete eng mit dem Regisseur David Lynch zusammen. Er beschrieb
diese Beziehung als pure Magie: Liebe braucht keine Verständigung.
[...] Man braucht sich nur gegenseitig anzusehen und weiß sofort, was
der andere haben will.
Seine Musik zum Kriminalfilm bzw. zur TV-Serie Twin Peaks (USA 1990, Regie:
David Lynch u.a.) wurde ein weltweiter Erfolg. David Lynch beschrieb diesen,
wie er selbst sagte Twin-Peaks-Sound", als dunkel, aber eine
schöne Dunkelheit; es [ist] so, als würde man durch dunkle Wälder
streifen und dort gefangenhalten werden.
Die Partituren zu den beiden Komödien National Lampoon's Christmas Vacation
(USA 1989, Regie: Jeremiah Checkik) und Cousins (USA 1988, Regie: Joel Schumacher)
dagegen verfolgen einen völlig anderen Stil, der die Akzente mehr auf die
Leichtigkeit des Genres legt und das Amüsement im Film unterstreichen will.
Die Musikdramaturgie des Roadmovies Wild at heart (USA 1990, Regie: David Lynch)
fällt nicht nur durch ihren gewaltigen Ton- und Musikaufwand auf, sondern
zeichnet sich vor allem durch den rabiaten Wechsel an musikalischen Stilen aus.
Badalamenti äußerte sich zum Thema musikalischer Stil,
indem er sagt, dass man in der Filmmusik [...] 15 - 20 verschiedene Stile
beherrschen [muss]. Es ist verblüffend. Manchmal schreibt man einen Song
oder ein Stück im Stil der 30er, 40er, 50er oder 60er Jahre. Oder man benutzt
Nashville, Country, Rock'n'Roll, Klassik. Ein Filmkomponist braucht eine solche
Bandbreite an Stilen.
Filmmusik wird gewöhnlich erst nach dem Endschnitt eines Filmes komponiert,
um eine exakte Synchronisation von Musik und Handlung zu gewährleisten.
Badalamenti schrieb die Musik oft schon vor Beginn der Dreharbeiten zu einem
Film: Wenn ich zum ersten Mal ein Drehbuch lese, das mir mein Agent geschickt
hat, nehme ich mir immer ein Stück Notenpapier zur Seite und mache mir
kleine Notizen. In der Zusammenarbeit mit David Lynch wurden bestimmte
Stücke sogar im Vornherein aufgenommen und bei den Dreharbeiten benutzt,
um eine spezielle Stimmung zu schaffen. Lynch setzte auch dem Kameramann Kopfhörer
auf, damit dieser die Bewegung seiner Kamera zur Musik intuitiv koordinieren
konnte. Somit musste er ihn nicht mehr instruieren.
Angelo Badalamenti gehört heute zu den Besten in der Filmmusik-Branche.
Seine Lieder wurden von Nancy Wilson, Shirley Bassey, George Benson, Roberta
Flack, Julee Cruise und den Pet Shop Boys interpretiert. Seine stilistische
Flexibilität, die Bandbreite seiner Kompositionen und seine ganz eigene
Technik, Musik zu Filmen zu komponieren, machen ihn zu einem der außergewöhnlichsten
Vertreter unter den Filmkomponisten.
[JH]