Aus Alt mach Neu
Ein Mann (Robert Newton)
hängt bewusstlos geschlagen mit dem Kopf in einer Schlinge am Balken eines
Wirtshaushinterzimmers seine Kameraden wollen ihn (aus Pietätsgründen!)
zum Sterben erst wieder zu Bewusstsein kommen lassen. Er wird in letzter Sekunde
gerettet von einem jungen Mädchen (Maureen OHara), das das bisherige
Geschehen durch die Dielen ihres Gästezimmers hatte beobachten können.
Sie müssen gemeinsam fliehen, der Kopf, den sie rettete, war das jüngste
Mitglied einer an einem Riff ansässigen Piratenbande, deren Raubzüge
aus der Fracht und den Habseligkeiten ermordeter Seeleute stammen. Die Schiffe
der Unglücklichen werden durch verlöschte Leuchtfeuersignale auf das
mörderische Riff Cornwalls in ihr Verderben gelenkt. Das unfreiwillige
Paar flieht zu Humphrey Pengallan (akribisch: Charles Laughton), dem Friedensrichter
der Region und wähnen sich in Sicherheit, als ihr Abenteuer erst tatsächlich
beginnt ...
Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs benimmt sich ein vom New York Globe
nach Europa entsandter Reporter (Joel McCrae) in Gegenwart einer Dame (Laraine
Day) gründlich daneben, als er die politische Hoffnung, die in eine pazifistische
Vereinigung gesetzt wird, geradewegs verunglimpft und sie als wohlmeinende
Amateure denunziert. Dass es sich bei seiner eben geschlossenen Bekanntschaft
um die Tochter des Vorsitzenden der Friedensvereinigung handelt, ist die kleinere
der Überraschungen, die ihn im Laufe des Geschehens noch erwarten. Schon
bald ist er unverhofft viel zu tief in die politischen Querelen des Pulverfasses
Europa verstrickt, als dass er sich seiner beruflichen Bestimmung (und auch
seinem davon abhängigem privaten Glück) noch länger entziehen
könnte ...
Ein blendend gut aussehender junger Mann (Cary Grant) drängt
sich in das Zugabteil und bald auch schon in das Leben einer leicht weltfremden
jungen Frau (Joan Fontaine), die ihr Leben psychologischen Publikationen und
Pferden verschrieben hat. Nach wenigen Sekunden schon offenbart sich ihr seine
größte Schwäche: Er reist erster Klasse, obwohl sein Budget
ihm nur ein Dritter-Klasse-Billet ermöglicht. Sie löst ihn aus und
er heiratet sie. Bald darauf reift in ihr der schreckliche Verdacht, ihr frisch
gebackener besitzloser Ehemann habe es auf ihre Lebensversicherung abgesehen
...
Kinowelt Home Entertainment bringt im Januar 2001 drei in zeitlicher Nähe
entstandene Werke des britischsten aller Amerikaner auf den Videomarkt. Das
nährt die Hoffnung, dass es sich hierbei um den Beginn einer Hitchcock-Collection
handeln könnte, die weniger populäre Filme aus ihrer Edition glücklicherweise
nicht auslässt.
Hitchcocks männliche Helden repräsentieren die symbolische Ordnung
und das Gesetz. Dabei handelt es sich im Fall des Hitchcockschen Protagonisten
auffallend häufig um dezidiert menschliche Zeitgenossen, die den ihnen
gestellten Aufgaben nicht ganz gewachsen scheinen. Menschlich sind v. a. auch
die Schwächen, die den Charakter der männlichen Figuren uns Zuschauern
nahe bringen. Ihr Leben (und/oder auch ihr Leid) verdanken sie in nicht wenigen
Fällen einer Frau, die ihnen in entscheidenden Momenten zur Seite steht.
Trotzdem haben konventio-neller-weise gerade die Frauen in Hitchcocks Werken
überdurchschnittlich viel zu erleiden, bis ihnen ihr Glück vom Regisseur
nicht mehr streitig gemacht wird.
Jem Trehearne (Robert Newton), der vermeintliche Riff-Pirat, Johnny Jones alias
Huntley Haverstock (Joel McCrea), der vermeintliche politische Ignorant/Dilettant
und Johnnie Aysgarth (Cary Grant), die vermeintlich gute Partie,
verkörpern jenen Typus des männlichen Hitchcock-Helden.
Hitchcock filmte nicht einfach sprechende Schauspieler und Schauspielerinnen,
kongenial lässt er uns ihr jeweiliges Schicksal aus ihrem ganz persönlichen
Blick-winkel erleben. Im Fall der vom Misstrauen gegen ihren Mann gepeinigten
Lina McLaidlaw (Joan Fontaine) steigert sich unser Herzklopfen im gleichen Maße
wie sie die Stücke ihres Puzzles zusammenzusetzen glaubt. Meisterhaft spielerisch
versetzt Sir Alfred Hitchcock seinem Publikum auch in diesen drei Filmen etwas,
das er liebte: (heilsame) moralische Schocks!
Immer richtet Hitchcock in seinen Filmen, den Geschichten, die er erzählt,
seine Konzentration bewusst auf einen ganz bestimmten Aspekt genau diesen
Aspekt vermittelt er virtuos seinem Publikum, dessen Gefühl er ohne jede
Anstrengung nach wenigen Film-Momenten längst mobilisiert hat. Da ist er,
der Hitchcock-Touch, man sieht und fühlt ihn!
Riff-Piraten (Jamaica Inn, GB 1939) Regie: Alfred Hitchcock Kamera: Bernard Knowles, Harry Stradling Darst.: Charles Laughton, Maureen OHara, Leslie Banks Verleih: Kinowelt Home Entertainment; Länge: 99 Min.; Preis: 19,95 DM (VHS), 49,95 (DVD)
Mord (Foreign Correspondent, USA 1941) Regie: Alfred Hitchcock Kamera: Rudolf Maté Darst.: Joel McCrea, Laraine Day, Herbert Marshall Verleih: Kinowelt Home Entertainment; Länge: ca. 119 Min.; Preis: 19,95 DM
Verdacht (Suspicion, USA 1941) Regie: Alfred Hitchcock Kamera: Harry Stradling Darst.: Cary Grant, Joan Fontaine, Sir Cedric Hardwicke Verleih: Kinowelt Home Entertainment; Länge: 99 Min.; Preis: 19,95 DM
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