In the mood for Love
Fast scheint es, als hätte
sich Robert Bresson an Wong Kar-Wai gewandt, als er einmal sagte: Die
Schönheit deiner Filme wird nicht in den Bildern sein [...], sondern in
dem Unsagbaren, das sie auslösen werden. Und geantwortet hätte
der Hongkong-Chinese mit In the Mood for Love, wo die Schönheit nicht nur
im Unsagbaren, sondern auch schon in den Bildern steckt.
In the mood for love ist ein schöner Film, weil seine Schauspieler schön
sind, er wunderbar und in schönen Farben fotografiert und mit schöner
Musik (u.a. von Nat King Cole) unterlegt ist. Wenn das schon alles wäre,
müsste man nicht viel mehr sagen, könnte den Film schnell vergessen
und über die Jury den Kopf schütteln, die die Goldenen Palmen in Cannes
vergab.
Dass der Film jedoch lange im Gedächtnis bleiben wird, liegt an Kar-wais
Talent, eine schwierige Beziehung ins Bild zu setzen, die Situation Hongkongs
in den 60ern einfließen und einige originelle Nebencharaktere auftreten
zu lassen, und dem Zuschauer dennoch zu suggerieren, dass er es mit einem einfachen,
fast minimalistischen Film zu tun hat.
Die Geschichte beginnt in Hongkong, 1962, als Herr Chow (Tony Leung) und Frau
Zehn (Maggie Cheung) mit ihren jeweiligen Ehepartnern zur Untermiete in verschiedene
Wohnungen des selben Hauses ziehen und Nachbarn werden. Von Anfang an konzentriert
sich die Kamera auf diese beiden, die sich fast täglich im Hausflur begegnen,
aber kaum etwas voneinander wissen. Die erste Gemeinsamkeit ergibt sich ironischerweise
durch ihre Ehepartner, die beide kaum zu Hause sind und auch noch eine Affäre
miteinander haben. Diese wird jedoch nie gezeigt und auch die beiden bekommt
man nie wirklich zu Gesicht. Wenn sie im Bild erscheinen, dann nur von hinten
und flüchtig. Diese konsequente Ausgrenzung eigentlich wichtiger Personen
und die oft enge Definition des Raumes und daraus folgende Close-ups auf die
Gesichter machen es Wong Kar-wai möglich, eine Art Kammerspiel zu inszenieren,
das von den kleinen Gesten und Blicken Chows und Li-zehns lebt. Aber trotz der
Intensität der Konzentration auf diese zwei Figuren, erfährt man nie
wirklich etwas Konkretes über deren Verbindung. Als Chow aus Verzweiflung
und Verletztheit anfängt Kung-Fu-Geschichten zu schreiben, hilft ihm Li-zehn
und zwischen den beiden entwickelt sich eine fragile Freundschaft, die ständig
ihre Balance zu verlieren droht. Denn das Wir werden nicht so wie die,
das Li-zehn wie beschwörend immer wiederholt, ist ständig in Gefahr
umzuschlagen. Chow erkennt bald, dass wir schon wie die sind und
nicht nur der Kinozuschauer wünscht in diesem Moment, dass aus den beiden
endlich ein Paar wird.
Was wirklich zwischen ihnen geschieht, kann man nur erahnen, denn Kar-wai baut
in seinen scheinbar geradlinigen Erzählstrang immer wieder verwirrende
Elemente ein, die uns zwar mehr Facetten der Figuren und des Geschehens zeigen,
aber nichts erklären. So widerspiegeln die Zeitlupen und Variationen desselben
Geschehens, die die Handlung durchsetzen, die Zerrissenheit und Unentschlossenheit
der Figuren. Die Harmonie der sanften Kamerafahrten und warm flutenden Farben,
der traumhaften Kleider Li-zehns und der Musik werden so unmerklich durchbrochen,
dass von den schönen Bildern tatsächlich nur Unsagbares ausgeht.
Am Ende weiß man, dass man ein Stück wahres Kino gesehen hat und
verläßt doch seltsam unbefriedigt den Saal. Gern wäre man an
der Stelle der Felsspalte gewesen, in die Chow Jahre später sein Geheimnis
flüstert, bevor er es mit Erde und Gras für immer versiegelt.
In the mood for Love (HK 2000) Regie, Buch & Produktion: Wong Kar-wai Kamera: Christopher Doyle Darst.: Maggie Cheung, Tony Leung u.a. Länge: 94 min; Verleih: Prokino
[NS]
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